Die Gegend um St. Margarethen an der Raab ist reich an Sagen und sogenannten „Geschichten“, die bis in unsere Tage in unsere Tage in mündlicher Überlieferung weitergegeben und im Laufe der Zeit um die eine oder andere bereichert worden sind.
Vor allem im Winter setzte man sich früher gerne nach getaner Arbeit in geselliger Runde zusammen. Gesang und Erzählungen brachten ein wenig Unterhaltung in die langen Abende – und manches Gläschen Wein mag mitgeholfen haben, die Phantasie zu beflügeln.
Seit Jahrzehnten aber sind nun bereits Radio, Fernsehen, Kino, Stereoanlagen und Diskotheken die bevorzugten Unterhaltungsmedien.
Mögen Märchen, Sagen und Legenden noch Gegenstand des Unterrichtes unserer Schüler sein, jene Geschichten aber, die sich um einzelne Gegenden unserer Landschaft oder um oft sehr verborgen liegende Flurdenkmäler (Bildstöcke, Wegkreuze) ranken, sind meist nur mehr älteren Menschen bekannt. Es wäre durchaus denkbar, dass die „Kette des Weitererzählens“ in naher Zukunft abreißt.
Deshalb sei hier eine Auswahl der bekanntesten örtlichen Sagen und mündlich überlieferten Geschichten festgehalten.
Zwischen Entschendorf und Dirnreith lag in alter Zeit ein See. In Dirnreith hause in einer Berghöhle am Ufer dieses Sees ein Lindwurm. Die Menschen hörten von Zeit zu Zeit sein Fauchen. Sein ausgestoßener Atem war giftig und verpestet die ganze Umgebung. Die Leute fürchten sich davor, dass das Untier eines Tages seine Höhle verlassen und Mensch und Tier vernichten könnte. In ihrer Not betten sie zur hl. Margaretha um Hilfe. Sie gelobten, ihr zu Ehren eine Kirche zu bauen. Die Heilige erhörte die Gebete. Der Wasserspiegel des Sees stieg, Wasser drang in die Höhle, tötete den Lindwurm und schwemmte ihn zerschmettert ans Ufer. Auf diese Weise von der großen Gefahr befreit, hielten die Leute ihr Versprechen, erbauten der hl. Margaretha eine Kirche und verehrten sie seither als Kirchenpatronin.
Eine andere Version lautet:
Als die Gegend um Entschendorf noch ein See war, hauste in einer Höhle zu Dirnreith ein Lindwurm. Die Leute sagten: „Wenn er pfeift und bläst, wird das ganze Tal vergiftet.“ Die Menschen wussten sich nicht mehr zu helfen und baten den Pfarrer um Rat. Es wurde dann viel gebetet, worauf das heftige Wasser kam, das den Lindwurm vernichtete und wegschwemmte. Auf dem Weg, den das Wasser nahm, sei nachher lange Zeit kein Gras gewachsen. Zur denkbaren Erinnerung daran sei die hl. Margaretha zur Pfarrpatronin erhoben worden. 1)
Zwischen Zöbing und Eickögl erhebt sich am linken Raabufer der Fötzberg, auf dessen viereckiger Hochfläche sich zwei durch einen Schanzgraben getrennte Hügel befinden. Der höhere heißt der Kapellengupf (auch Kapellenkögerl), weil dort einst eine Kapelle stand. Gegen das Raabtal hin liegt der Kiengupf, nach einem Bauerngeschlecht so genannt. Beide Kuppen gehörten noch zur Pfarre St. Margarethen an der Raab, während der übrige Fötzberg nach Kirchberg eingepfarrt ist. Die genannte Kapelle wurde mit vereinten Kräften und durch die Steuern der Kirchberger und Margarethner aufgebaut und eingerichtet. Knapp an der Pfarrgrenze und etwa gleich weit von jeder Pfarre gelegen, wurde sie von jeder Partei für sich in Anspruch genommen. Endlich einigte man sich dahin, dass an einem gewissen Tage, zu einer gewissen Stunde von den Pfarrkirchen zu Kirchberg und St. Margarethen an der Raab sich je ein gewählter Vertreter zur Kapelle auf den Weg machen solle. Welcher nun zuerst ankomme, zu dessen Pfarre gehören die Kapelle und das Nachbarhaus. Der Vertreter von St. Margarethen an der Raab war früher zur Stelle und so wurde sie der Pfarre St. Margarethen an der Raab eingepfarrt. 2)
Die Sage berichtet, dass auf dem Hügel bei Burgstall einmal eine Burg gestanden sein soll. Man nennt diesen Hügel heute noch Schlossberg bzw. die Gegend Burgstall. An der Stelle, an der heute ein Bauernhaus am Fuße des Hügels steht, sei der Meierhof gelegen. Auch hätte man im Bereich des Hügels immer wieder Funde aus alter Zeit getätigt.3)
Eine andere Version lautet:
In der Nähe des Hügels zwischen Haid und Burgstall soll ein Schloss gestanden sein. Dieses sei einst versunken. Man habe manchmal von der Ferne die Spitze eines Turmes bei hellem Sonnenschein funkeln gesehen. Beim Herannahen sei aber das Bild verschwunden.4)
Die Sage berichtet, dass in einer Berggegend bei Sulz, Hungersbach genannt, einst das Schloss Hungersbach gestanden sein soll. Dort ist jetzt ein Waldgelände, dessen Form erahnen lässt, dass ein solches Bauwerk gestanden sein könnte.5)
Nach Berichten alter Leute soll in Takern II in der Nähe des Maier´schen Hauses ein Schloss gestanden sein. Der Name dieser Gegend „Schlossleiten“ weist auf die Sagen hin.6)
Eine andere Sage berichtet, es sei hier im Raabtal einst eine große römische Siedlung gewesen, „Sumpfstadt“ genannt. Diese Siedlung sei aber nicht in geschlossenen Häuserreihen erbaut gewesen, sondern soll zerstreut gelegen sein.7)
Oberhalb der Karner´schen Häuser soll einst ein Schloss gestanden sein, die Untergroßgier´schen Häuser seien die Meierhöfe gewesen.8)
Als die Pest hier herrschte, seien die Leute bis Leute bis zum Preining´schen Haus gegangen, wo ein Kreuz steht, dort hätten sie sich niedergekniet und so dem Gottesdienst beigewohn.t Durch das Läuten der Kirchenglocken seien sie auf die Hauptteile der Messe aufmerksam gemacht worden. Etwas weiter unter sei eine Wache aufgestellt gewesen, mit dem Auftrag jeden niederzuschießen, der versuchen sollte, die festgelegte Grenze zu überschreiten.9)
Auf einem Acker, der zum Preinin´schen Haus gehörte, hätten die Leute eines Tages Flachs ausgebreitet. DA sei ein Hund über den Acker gelaufen, einen Totenkopf im Maul tragend. Die Leute wären darüber so erschrocken, dass sie den Flachs verbrannt hätten.10)
In Dirnreith (und Zöbing) wird berichtet, dass zu Zeiten der Pest zwei Männer miteinander gesprochen hätten. Der eine meinte: “Wer wird uns wohl begraben, wenn wir sterben?“ Der andere entgegnete: „Hunde und Raben werden dich begraben!“ Derjenige, der das gesagt hatte, sei bald danach an der Pest gestorben und nach einiger Zeit habe ein Hund seinen Kopf auf den Friedhof gebracht.11)
Ein Bauer aus Zöbing soll damals gesagt haben: „Wenn ich nur auf dem Friedhof sterben könnte!“ Sein Wunsch soll nicht in Erfüllung gegangen sein. Als er am nächsten Morgen aus dem Bett gestiegen sei, sei er tot zusammengebrochen.12)
Im 17. Jahrhundert soll die Pest in Zöbing schrecklich gewütet haben. Der Ort soll damals fast ausgestorben sein. Zuletzt habe man zur Mittagszeit nur mehr aus zwei Häusern den Herdrauch aufsteigen gesehen. Das Dorf sei damals von der Umwelt abgeriegelt gewesen. Niemand durfte es betreten und niemand durfte es verlassen. Ein Halterbub, der das Dorf verlassen und über die Raab schwimmen wollte, wäre bei Takern von der Wache nicht ans Ufer gelassen worden und sei ertrunken.13)
Einmal sei das Pestweib auf dem Weg durch das Raabtal auch nach Zöbing gekommen und hätte hier bei einem armen Keuschler Rast gemacht. Die Hausleute hätten ihr bereitwillig zu essen gegeben. Sie hätte sich bedankt und sei fortgegangen. Bei einem anderen Bauern hätte sie um einen Trunk gebeten. Aber der Besitzer hätte ihr nichts zu trinken gegeben. Zur Strafe hätte sie die Pest über Zöbing gebracht und der Ort wäre ausgerottet worden. Dort, wo man die Toten begraben hätte, wäre später ein Pestkreuz errichtet worden.14)
Es wird erzählt, dass in früherer Zeit Hofstätten und die Gegend weiter rückwärts noch zur Pfarre St. Margarethen an der Raab gehört hätte. Als aber in St. Margarethen an der Raab die Pest herrschte, sei man von jener Gegend abgeschlossen worden, und die Seelsorge hätte nicht von der Pfarre St. Margarethen an der Raab ausgeübt werden können. So sei das Gebiet in der Folge zur Pfarre Gleisdorf gekommen.15)
(Schmiedhanselloch, Hausmichelloch):
Auf einem Bergrücken, der sich bei Dirnreith bis gegen Nestelbach hin erstreckt, befindet sich das Wetterloch. Der Name (Hausmichel) kommt vom damaligen Besitzer des Grundes, auf dem es sich befindet. Dieses Loch soll in die gleiche Tiefe gehen, wie die bekannten Schöckellöcher. Es heißt, wenn aus dem Wetterloch Nebel aufsteigt, so seien Regen und Unwetter zu erwarten. Der Sage nach führt dieses Loch zu jener Höhle, in der einst der Lindwurm gehaust haben soll.16)
Etwa 100 Meter südöstlich des Anwesens Roman Koller in Sulzbach steht im Wald eine Föhre, an der ein Marienbild in einer kleinen überdachten Rahmung angebracht ist. Es soll sich folgendes Ereignis zugetragen haben: Im Hause Koller sei vor langer Zeit jemand verstorben und wurde – wie damals üblich – zu Hause aufgebahrt. Es war damals der Brauch, sich um Mitternacht vom Toten zu verabschieden, indem man ihn noch mit Weihwasser besprengte. Einer soll sich den Scherz erlaubt haben, an den Zehen des Toten eine Schnur anzubinden und diese dann zum Fenster hinauszulegen. Als sich die Leute vom toten in besagter Weise verabschiedeten, hätte er an der Schnur gezogen und den Toten damit in Bewegung gebracht. Alle hätten daraufhin fluchtartig das Aufbahrungszimmer verlassen. Der Übeltäter sei in den Wald gerannt und an der Stelle, wo heut das Marienbild angebracht ist, soll nur mehr den zerfetzten Leichnam des Frevlers gefunden haben.17)
ANMERKUNGEN
1) Nach Franz Hausmann, Oststeirische Sagen und Schwänke, Verlag Julius Schönwetter, Harbert (gesammelt und aufgezeichnet 1930), S. 60.
2) Ebenda, S. 61.
3) Ortskundliche Stoffsammlung St. Margarethen an der Raab, angelegt an den Volksschulen 1948, XV 2, (Heimatliche Sagen).
In dieser Sammlung findet sich ebenfalls die Lindwurmsage (in der etwas gekürzten ersten Version).
4) Ebenda und bei F. Hausmann, S. 63.
5) Ortskundl. Stoffsammlung, XV 2.
6) Ebenda.
7) Ebenda.
8) Ebenda.
9) Ebenda und bei F. Hausmann (siehe Fußnote 1), S.61 f. Es fällt die unterschiedliche Schreibweise eine Namens auf. F. Hausmann:…seien die Leute bis zum Reinig´schen Haus gegangen…Ortskundliche Stoffsammlung:…seien die Leute bis zum Preining´schen Haus gegangen. Der Name sollte vermutlich richtig Preininger heißen.
10) Auch dieser Text findet sich in beiden genannten Quellen.
11) Ebenso in beiden Quellen angeführt.
12) Ortskundl. Stoffsammlung, XV 2.
13) In beiden Quellen aufgezeichnet.
14) Ortskundl. Stoffsammlung, XV 2.
15) Ebenda.
16) In beiden Quellen aufgezeichnet. In diesem Text findet sich ebenfalls die unterschiedliche Schreibweise eines Namens. F. Hausmann: „Hausmichlloch“. Ortskundl. Stoffsammlung „Hausmichelloch“.
In der Bevölkerung ist dieses Wetterloch heute als „Schmiedhanslloch“ bekannt.
17) Diese Geschichte wurde von Johan Mießl (Entschendorf) erzählt.